BFH, Urteil v. 10.12.2020 – V R 7/20
Das umsatzsteuerliche Reverse-Charge-Verfahren, nach dem der unternehmerisch tätige Leistungsempfänger die Umsatzsteuer trägt, gilt auch dann, wenn es neben dem unternehmerisch tätigen Leistungsempfänger noch einen weiteren Leistungsempfänger gibt, der aber nicht Unternehmer ist, und wenn der unternehmerische Leistungsempfänger das volle Entgelt als Gesamtschuldner schuldet.
Hintergrund:
In bestimmten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, z. B. bei der Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers an einen deutschen Unternehmer oder an eine deutsche juristische Person. Der deutsche Unternehmer muss dann als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
Sachverhalt:
Der Kläger war Unternehmer und Alleineigentümer eines unbebauten Grundstücks. Seine Ehefrau und er beauftragten einen österreichischen Bauunternehmer mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Kläger die gesamte Umsatzsteuer für die Baukosten im Wege des sog. Reverse-Charge-Verfahrens schulde. Hiergegen wandte sich der Kläger.
Entscheidung:
Der Bundesfinanzhof wies die Klage ab:
- Der Kläger war Unternehmer und Leistungsempfänger eines in Österreich ansässigen Unternehmers. Damit greift grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, das dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuerschuld auferlegt.
- Die Leistung des österreichischen Unternehmers war nicht umsatzsteuerfrei. Zwar ist die Lieferung eines Grundstücks umsatzsteuerfrei; der österreichische Unternehmer war aber nicht Veräußerer des Grundstücks, sondern das Grundstück gehörte von Anfang an dem Kläger.
- Unbeachtlich ist, dass auch die Ehefrau des Klägers ebenfalls Leistungsempfängerin war. Denn der Kläger war gleichwohl Gesamtschuldner des vereinbarten Baupreises und konnte daher vom österreichischen Bauunternehmer in voller Höhe für die Baukosten in Anspruch genommen werden. Außerdem war seine Ehefrau keine Unternehmerin und kam daher als Steuerschuldnerin nach dem Reverse-Charge-Verfahren nicht in Betracht.
Hinweise: Der BFH prüfte noch, ob nicht möglicherweise eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den beiden Eheleuten, Leistungsempfängerin war. Aus Sicht des BFH schied dies aus, weil es an einem gemeinsamen Zweck fehlte. Anderenfalls hätte nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Umsatzsteuer geschuldet, falls sie Unternehmerin gewesen wäre.