Kurzfazit: Veräußert eine Kapitalgesellschaft binnen kurzer Zeit mehrere Mietobjekte – auch en bloc an einen einzigen Erwerber –, indiziert das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze einen gewerblichen Grundstückshandel. Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist dann grundsätzlich versagt. Auf das einkommensteuerliche Merkmal der „Nachhaltigkeit“ (§ 15 Abs. 2 EStG) kommt es bei Kapitalgesellschaften nicht an. Das hat der BFH mit Urteil vom 03.06.2025 – III R 12/22 klargestellt.
Was hat der BFH entschieden – die Kernaussagen
- Drei-Objekt-Grenze: Veräußert eine Kapitalgesellschaft im dritten Jahr nach Erwerb fünf Mehrfamilienhaus-Grundstücke in einem Verkaufsakt an einen Erwerber („en bloc“), ist der gewerbliche Grundstückshandel indiziert; die erweiterte Kürzung entfällt.
- Kein Nachhaltigkeitserfordernis: Für die Frage, ob die Tätigkeit über die bloße Verwaltung und Nutzung hinausgeht (und damit die erweiterte Kürzung sperrt), ist das Kriterium der Nachhaltigkeit nicht maßgeblich, wenn es sich – wie hier – um eine nur kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtige Gesellschaft (GmbH) handelt.
- Prozessualer Rahmen: Die Revision wurde zurückgewiesen; die einfache Kürzung war im Revisionsverfahren nicht (mehr) zu gewähren.
Der Sachverhalt in Kürze
Eine konzernangehörige GmbH erwarb 2016 fünf vermietete Mehrfamilienhäuser und veräußerte sie 2018 en bloc an eine Konzern-Objektgesellschaft. Der Besitz-/Lastenwechsel erfolgte im November bzw. zum 31.12.2018. Für 2018 beantragte die GmbH die erweiterte Kürzung; das Finanzamt lehnte ab und sah einen gewerblichen Grundstückshandel. Klage und Revision blieben ohne Erfolg.
Rechtliche Würdigung des BFH
1) Abgrenzung Vermögensverwaltung ↔ Gewerblichkeit
Die erweiterte Kürzung begünstigt nur die bloße Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Überschreitet die Tätigkeit diese Grenze – insbesondere wenn Umschichtung (Substanzverwertung) die Fruchtziehung (Vermietung) dominiert –, ist die Vergünstigung versagt. Der BFH knüpft damit an die ständige Rechtsprechung zur Gewerblichkeitsschwelle an.
2) Drei-Objekt-Grenze auch en bloc
Die bekannte Drei-Objekt-Grenze: ≥ 4 Veräußerungen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs (regelmäßig ≤ 5 Jahre zwischen Anschaffung/Errichtung und Verkauf) indizieren die Absicht, durch Umschichtung Gewinne zu erzielen. Entscheidend: Es spielt keine Rolle, ob an einen oder an mehrere Erwerber verkauft wird. Ein en-bloc-Verkauf kann daher die Indizwirkung voll auslösen.
3) Kapitalgesellschaften: „Nachhaltigkeit“ nicht Prüfungsmaßstab
Die Nachhaltigkeit der Tätigkeit ist Bestandteil des Legalbegriffs des Gewerbebetriebs im EStG. Für die erweiterte Kürzung einer Kapitalgesellschaft ist dieses Merkmal nach Auffassung des BFH nicht entscheidend. Maßgeblich bleibt allein, ob die Tätigkeit noch Vermögensverwaltung ist – oder bereits das Gepräge eines gewerblichen Grundstückshandels trägt. Ergebnis: Schon ein einmaliger, aber umfangreicher en-bloc-Verkauf kann den Ausschluss der erweiterten Kürzung rechtfertigen.
Praxisfolgen für Immobilien-GmbHs und Objektgesellschaften
- En-bloc ist kein „Schutzschild“: Wer mehrere Objekte in einem Notarakt an einen Käufer abgibt, vermeidet damit nicht die Indizwirkung. Für die Zählung zählen die Objekte, nicht die Kaufverträge oder die Erwerberzahl.
- Konzerninterne Verkäufe sind nicht privilegiert: Auch konzerninterne Paketverkäufe können den gewerblichen Grundstückshandel auslösen – mit der Folge, dass die erweiterte Kürzung entfällt.
- Haltedauer rückt wieder in den Fokus: Veräußerungen innerhalb von fünf Jahren nach Erwerb sind besonders sensibel. Schon < 3 Jahre – wie im Streitfall – sind ein starkes Indiz.
- Dokumentation gewinnt an Bedeutung: Wer die Indizwirkung widerlegen will, braucht objektive Umstände (z. B. dokumentierte Langfriststrategie, atypische Sondersituationen). Erklärungen allein genügen nicht.
- Fallback „einfache Kürzung“: Sie kann formal scheitern, wenn erforderliche Grundlagen (z. B. Einheitswerte) nicht belegbar sind; prozessuale Besonderheiten sind zu beachten.
Handlungsempfehlungen vor Transaktionen
1) Vorab-Check der Objektzählung
Zählen Sie alle potentiell „veräußerungsfähigen“ Objekte (auch wirtschaftliche Einheiten) und prüfen Sie den zeitlichen Zusammenhang seit Erwerb/Errichtung. ≥ 4 innerhalb von ≤ 5 Jahren → Warnsignal.
2) Strategische Haltedauer & Timing
Wenn die erweiterte Kürzung zentral ist, sind Verkaufsentscheidungen in den ersten fünf Jahren risikobehaftet. Erwägen Sie Haltedauer-Streckungen, Etappierungen oder alternative Strukturen.
3) Strukturvarianten prüfen (Asset vs. Share Deal)
Ein Share Deal kann in Einzelfällen steuerlich günstiger sein als eine Asset-Veräußerung mehrerer Objekte. Bewertungs-, GrESt- und Ertragsteuer-Effekte sind ganzheitlich zu modellieren. (Hinweis: Urteilsgegenstand war ein Asset-Deal.).
4) Konzerninterne Restrukturierungen
Auch konzerninterne Verkäufe lösen die Indizwirkung aus. Prüfen Sie Alternativen (Einbringungen, Verschmelzungen, Ausgliederungen) und Zeitfenster.
5) Dokumentation & Governance
Hinterlegen Sie eine plausible, frühzeitige Vermietungs- und Bestandsstrategie (z. B. Aufsichtsrats-/Gesellschafterprotokolle, Business-Cases, Darlehenslaufzeiten als Indiz – aber nicht als Beweis!). Transaktionsmotive sollten objektiv belegbar sein.
6) Prozessuale Absicherung
Für den Fall der Versagung der erweiterten Kürzung sollten Alternative Claims (z. B. einfache Kürzung) belegt sein: Einheitswert-/Grundsteuerdaten, Feststellungen und Fristen frühzeitig sichern.
Checkliste: „Erweiterte Kürzung – Risiko En-bloc“
- Objektzahl: Wie viele wirtschaftliche Einheiten werden veräußert? ≥ 4?
- Zeitraum: Liegen Anschaffung/Errichtung und Veräußerung ≤ 5 Jahre auseinander?
- Transaktionsform: Asset-Deal (ein Vertrag / mehrere Einheiten) oder Share-Deal?
- Erwerberzahl: Ein Erwerber (en bloc) oder mehrere – für die Indizwirkung unerheblich.
- Haltedauer je Objekt: Gibt es Ausreißer mit sehr kurzer Haltedauer (< 3 Jahren)?
- Konzernnähe: Konzerninterne Käufer/Verkäufer? Dokumentations-/Substanzanforderungen beachten.
- Finanzierung: Darlehenslaufzeiten/Vorfälligkeitsentschädigungen allein widerlegen keine Veräußerungsabsicht.
- Dokumentation: Langfristige Bestandsstrategie, Vermietungskonzepte, Investitionsplan, Governance-Beschlüsse.
- Alternativen: Share-Deal, Einbringung, spätere Veräußerung (Timing), Portfolio-Split.
- Fallback: Einfache Kürzung vorbereiten (Einheitswerte!), prozessuale Hilfsanträge sichern.
FAQ
Gilt die Drei-Objekt-Grenze auch, wenn ich in einem Vertrag an einen Käufer verkaufe?
Ja. Für die Indizwirkung zählt die Anzahl der veräußerten Objekte innerhalb des maßgeblichen Zeitraums, nicht die Anzahl der Erwerber oder der Kaufverträge. Ein en-bloc-Verkauf kann damit vollumfänglich schädlich sein.
Spielt die „Nachhaltigkeit“ (§ 15 Abs. 2 EStG) bei der Kapital-GmbH überhaupt noch eine Rolle?
Für die erweiterte Kürzung: Nein. Der BFH stellt für Kapitalgesellschaften hier nicht auf das Nachhaltigkeitsmerkmal ab, sondern darauf, ob die Tätigkeit den Rahmen der bloßen Vermögensverwaltung verlässt.
Und wenn ich nur „einmal“ verkaufe – ist das nicht unschädlich?
Nicht zwingend. Einmalige, aber umfangreiche en-bloc-Transaktionen können das Gepräge der Tätigkeit bestimmen und die erweiterte Kürzung ausschließen. Entscheidend ist die Gesamtbetrachtung.
Hilft mir eine langfristige Finanzierung (z. B. 10-jährige Darlehen) als Gegenindiz?
Regelmäßig nicht ausreichend. Laufzeiten und Vorfälligkeitsentschädigungen allein widerlegen die indizierte Veräußerungsabsicht nicht, wenn die Gesamtumstände für Umschichtung sprechen.
Kann ich wenigstens die einfache Kürzung retten?
Eventuell, aber formale Hürden sind zu beachten (u. a. Einheitswerte, prozessuale Anträge). Im BFH-Fall war sie im Revisionsstadium nicht mehr zu gewähren. Frühzeitige Absicherung ist ratsam.
Was bedeutet das strategisch?
Das Urteil verengt den Gestaltungsraum für Bestandshalter-GmbHs und Objektgesellschaften in Konzernen. Wer die Gewerbesteuerentlastung über die erweiterte Kürzung zum Kern seines Geschäftsmodells macht, muss Veräußerungsvorhaben – gerade en bloc – strenger als bisher auf Objektzahl und Zeitraum trimmen. Die Rechtssicherheit steigt in dem Sinne, dass die Abgrenzung klarer und – für Kapitalgesellschaften – weniger abhängig von der heiklen Nachhaltigkeitsfrage wird. Zugleich steigen die Anforderungen an Dokumentation, Timing und Strukturwahl.
Wie wir Sie als Steuerberater & Rechtsanwalt unterstützen
- Schnell-Check erweiterte Kürzung: Objektzählung, Zeitlinien, Konzernbezüge.
- Transaktions-Design: Asset vs. Share, Portfolio-Split, Alternativen zur Paketveräußerung.
- Dokumentationspaket: Governance-Beschlüsse, Strategie-Memos, Evidence-Files zur Widerlegung von Indizien.
- Prozessstrategie: Hilfsanträge (einfache Kürzung), Sicherung von Bewertungs-/Einheitswertunterlagen, Fristenmonitoring.
- Streitbegleitung: Einspruch/Klage inkl. Beweis-/Antragsmanagement.
Takeaway: Wer ≥ 4 Objekte innerhalb von ≤ 5 Jahren abgibt, sollte die erweiterte Kürzung als hoch gefährdet betrachten – auch en bloc. Rechtzeitig planen, sauber dokumentieren, Alternativen prüfen.
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